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Freundschaften in der Kindheit

– Andrea Auerswald © 2025

Andrea Auerswald

7. Juni 2025

Die ersten Schritte ins soziale Leben und ihre lebenslange Bedeutung.

Freundschaften sind die ersten Schulen des Lebens.
Von den ersten zaghaften Begegnungen bis zu den festen Banden im Erwachsenenalter — warum frühe Freundschaftserfahrungen entscheidend für die spätere Beziehungsfähigkeit sind.

Wenn Freundschaft Wurzeln schlägt

In den frühen Jahren, wenn die Welt noch ein weites Feld unentdeckter Erfahrungen ist,

entstehen sie: die ersten Freundschaften.

Zart, manchmal flüchtig, oft intensiv und unvergesslich.

Sie sind weit mehr als Spielkameradschaften — sie sind die ersten Spiegel, in denen Kinder

sich selbst und andere erkennen.

Die Bande, die sie knüpfen, sind keine beiläufigen Fäden. Sie weben das erste Gewebe

sozialer Erfahrungen, auf dem sich das spätere Leben aufspannt.


Kindliche Freundschaften sind Vorboten dessen, was einmal sein wird: Bindung, Vertrauen,

Umgang mit Konflikten, Trost und Verbundenheit.

Sie lehren die feine Kunst der Nähe und der Selbstbehauptung, des Gebens und Nehmens,

des Verlierens und Wiederfindens.


Wie Freundschaften entstehen – von der Parallelität zum Miteinander

Freundschaft ist keine Fertigkeit, die mit einem Mal vorhanden ist.

Vielmehr entwickelt sich die Fähigkeit zur Freundschaft in feinen, kaum wahrnehmbaren

Schritten.


Bereits im Krippenalter zeigen Kinder ein erstes Interesse an anderen.

Doch das Spiel bleibt oft noch parallel: Sie spielen nebeneinander, weniger miteinander. Das

Ich ist in dieser Phase noch ungefestigt — und damit auch das klare Erkennen eines Du.


Zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr beginnt ein entscheidender Schritt: Kinder

erkennen sich selbst als eigenständige Personen. Das Bewusstsein „Ich bin ich und Du bist

Du“ entfaltet sich langsam.

Mit dieser Selbstwahrnehmung wächst auch das Interesse am Gegenüber. Gemeinsame

Spiele entstehen, erste einfache Kooperationen, erste Aushandlungen.


Doch echte Freundschaften im tieferen Sinne entstehen meist erst ab dem

Kindergartenalter. Hier entwickeln Kinder die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen,

Perspektiven zu wechseln, Gefühle zu teilen.


Im Alter zwischen vier und sechs Jahren wird Freundschaft für Kinder oft zur Herzenssache.

Freundschaften sind intensiv, aber auch wechselhaft.

Sie bieten Raum für Bindung — und für Konflikte.

Denn Konflikte sind kein Scheitern, sondern ein notwendiger Teil des Lernprozesses. Sie

lehren Kinder, Differenzen auszuhalten, Kompromisse zu schließen, sich zu entschuldigen

und einander wieder anzunähern.


Was Freundschaften in der Kindheit bedeuten

Eine Kindheit ohne Freundschaften wäre wie ein Garten ohne Licht.

Kinder finden im Miteinander nicht nur Spielgefährten, sondern vor allem Resonanz.

Sie lernen, dass Freude geteilt werden kann, dass Konflikte lösbar sind und dass man

manchmal einen Schritt zurücktreten muss, um einen Freund nicht zu verlieren.


Freundschaften bieten einen geschützten Raum, um emotionale Fertigkeiten zu erproben:

Vertrauen, Loyalität, Empathie.

Im Kleinen, fast Unscheinbaren, üben Kinder die großen Bewegungen des Lebens.


Warum Freundschaften prägen

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Kinder, die in ihrer Kindheit vielfältige

Freundschaftserfahrungen machen konnten, im Erwachsenenalter oft leichter und sicherer

soziale Beziehungen eingehen.

Sie entwickeln ein feineres Gespür für Nähe und Distanz, lernen Konflikte konstruktiv

auszutragen und erleben Bindungen nicht als Last, sondern als Kraftquelle.


Freundschaften in der Kindheit sind wie frühe Skizzen für spätere Beziehungen.

Sie lehren, wie man sich auf andere einlässt, ohne sich selbst zu verlieren.

Wie man Vertrauen schenkt und Verantwortung übernimmt.

Wie man Abschied nimmt und dennoch verbunden bleibt.


Was stabile Freundschaften im Erwachsenenalter möglich macht

Kinder, die früh erfahren durften, dass Beziehungen nicht perfekt sein müssen, um wertvoll

zu sein, tragen dieses Wissen in sich.

Sie haben gelernt, dass Freundschaft Aushandlung bedeutet, dass Nähe und Freiheit

koexistieren können.


Diese frühen Erfahrungen wirken wie Wurzeln, die Halt geben — und wie Anker, die auch

bei Sturm nicht reißen.

Menschen, die in ihrer Kindheit Freundschaften pflegen durften, fällt es oft leichter, im

Erwachsenenalter tragfähige Bindungen einzugehen — sei es in Freundschaft,

Partnerschaft oder kollegialem Miteinander.


Freundschaften als Lebensschule

Freundschaften lehren, was kein Lehrbuch vermitteln kann: Geduld, Hingabe, die

Bereitschaft, eigene Bedürfnisse auch einmal hintanzustellen.

Sie eröffnen die Erfahrung, dass Bindung Verschiedenheit nicht auflöst, sondern sie

umarmt.


Kindliche Freundschaften sind leise Übungen in Toleranz und Akzeptanz.

Sie zeigen, dass Nähe kein Verzicht auf Individualität ist, sondern ihre schönste Form der

Begegnung.


Schlussgedanke

Kindliche Freundschaften sind weit mehr als Spielgefährten auf Zeit.

Sie sind die erste Ahnung davon, wie Beziehung gelingt.

Sie sind das stille Übungsfeld für das große Abenteuer Leben.

Und wer als Kind erfahren durfte, dass Freundschaft möglich ist — bedingungslos, vertraut

und echt — trägt ein leises, starkes Wissen in sich:

Ich bin verbunden. Ich gehöre dazu.


Literaturhinweise

- Hartup, Willard W. (1996): The Company They Keep: Friendships and Their

Developmental Significance.

- Rubin, Kenneth H. et al. (2015): Peer Relationships in Childhood.

- Degner, Juliane (2011): Freundschaften in Kindheit und Jugend. Springer Verlag.

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