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Zwischen Impuls und Antwort – über die Kunst, als Führungskraft einfach mal zuzuhören

– Andrea Auerswald © 2025

Andrea Auerswald

3. Juli 2025

Wenn ein Mitarbeiter kommt und ein Problem schildert, erwarten wir als Führung oft, sofort handeln zu müssen. Doch was, wenn das Zuhören selbst die wichtigste Führungshandlung ist? Dieser Artikel zeigt, wie echte Resonanz und Menschlichkeit den Unterschied machen – und warum gute Führung nicht immer gleich eine Lösung bereithalten muss.

In einer Zeit, in der Schnelligkeit, Effizienz und Lösungsorientierung den beruflichen Alltag prägen, geht ein leiser, aber bedeutsamer Aspekt oft unter: das aufrichtige Zuhören. Führungskräfte sind es gewohnt, auf Probleme mit Antworten zu reagieren – möglichst rasch, möglichst wirksam. Doch was, wenn genau das manchmal zu früh kommt?


Da steht ein Mitarbeiter im Türrahmen. Er spricht von etwas, das ihn bewegt – beruflich, vielleicht auch persönlich. Kaum hat er den Gedanken ausgesprochen, beginnt im Kopf der Führungskraft das Räderwerk: Was tun? Wie helfen? Wie lösen? Die Worte der Lösung sind schnell gefunden – doch was bleibt, ist ein stiller, fast enttäuschter Blick. Der Moment, in dem klar wird: Es ging nicht um eine Lösung. Es ging um das Gefühl, gehört zu werden.


Zuhören ist mehr als das Vernehmen von Worten. Es ist eine Einstellung. Eine Einladung, Raum zu lassen – nicht nur für Probleme, sondern auch für Emotionen, Zweifel, Perspektiven. Gute Führung ist nicht die Kunst, auf jede Frage eine Antwort zu haben. Gute Führung ist die Kunst, im richtigen Moment zu schweigen. Und präsent zu bleiben.


In jedem Gespräch liegt ein tiefer Wunsch nach Resonanz. Wer mit einer Sorge kommt, möchte selten nur ein Ergebnis – sondern einen Menschen, der bereit ist, sich einzulassen. Der zuhört, ohne zu unterbrechen. Der versteht, ohne zu belehren. Der aushält, ohne vorschnell zu handeln.


Die Stärke einer Führungskraft zeigt sich nicht in ihrer Lösungsquote. Sie zeigt sich im Mitgehen, im Abwarten, im Nachfragen. In der Fähigkeit, menschlich zu bleiben, gerade dann, wenn das System nach Funktion ruft. Und manchmal – ja, manchmal entsteht gerade im Zuhören die eigentliche Bewegung.


Denn wer sich gehört fühlt, ist eher bereit, selbst mitzudenken. Wer sich verstanden fühlt, ist eher bereit, mitzuwirken. Und wer Führung als Beziehung erlebt, wächst nicht nur beruflich – sondern auch menschlich.Was wäre, wenn Führung nicht auf Antworten basiert, sondern auf Aufmerksamkeit?


Was wäre, wenn das größte Geschenk, das wir Mitarbeitenden machen können, ein Satz ist wie: „Ich verstehe. Erzähl mir mehr.“


Schlusswort

In all dem liegt auch eine Einladung zur Fehlerfreundlichkeit. Nicht jede Antwort muss perfekt sein, nicht jeder Gedanke zu Ende gedacht. Manchmal braucht es Mut, den Raum offen zu lassen. Den Mitarbeiter noch einmal zu fragen: „Was denkst du selbst?“ – und dann zu schweigen. Es ist eine Geste des Vertrauens, des Zutrauens in die Selbstwirksamkeit des Gegenübers. Denn oft liegt die Lösung längst in ihm – sie braucht nur einen Raum, um sich zu zeigen.


Führung bedeutet auch, nicht sofort zu agieren, sondern gemeinsam zu betrachten: Was bewegt dich wirklich? Was brauchst du – jetzt, in diesem Moment? Und was bringst du selbst schon an Gedanken mit? Wer diesen Raum lässt, wer nicht gleich lenkt, sondern begleitet, öffnet Türen. Und manchmal entsteht daraus nicht nur eine Lösung – sondern eine Haltung des Miteinanders, die von gegenseitigem Respekt, Geduld und echtem Interesse geprägt ist.


Führung beginnt dort, wo wir dem anderen wirklich begegnen. Nicht mit einer Strategie, sondern mit einem offenen Herzen. Zuhören ist keine Schwäche, sondern ein Ausdruck von Stärke und Reife. In einer Welt, die nach schnellen Antworten schreit, wollen wir die sein, die den Mut haben, kurz innezuhalten. Und genau dort beginnt Veränderung.


Literatur

·       Rogers, Carl (1973): Begegnung mit dem Menschen. Grundlagen einer nicht-direktiven

       Gesprächsführung.

·       Rosenberg, Marshall B. (2003): Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens.

·       Kahl, Oliver (2020): Resonanz in der Führung. Wie Beziehung Wandel ermöglicht.

·       Kruse, Peter (2015): Next Practice. Erfolgreiches Management von Instabilität.

·       Hüther, Gerald (2016): Würde – Was uns stark macht als Einzelne und als Gesellschaft.

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